Madam Tussaud

Ich erinner mich an den Tag, als Du mich verlassen hast
Es war nicht ein Tag, es war ein Monat oder sogar zwei
& trotzdem ist es in meiner Erinnerung
dieser eine Tag
Ich sitz am Fenster in der Küche
& seh eine Beerdigung auf dem Friedhof gegenüber
es regnet
und zwölf bis fünfzehn Menschen stehn da
in schwarzer Kleidung unter bunten Schirmen
Niemand hat einen schwarzen Schirm für solche Gelegenheiten ...
Das Wasser kocht & ich gieß meinen Kaffee auf
Sie werfen Blumen in das feuchte, offene Grab
& während ich sie beobachte
denk ich, daß auch sie mich sehen können,
wenn ihr Blick für einen Moment schweift
& daß es da noch etwas anderes gibt
Die Bäume sind hoch, sehr hoch
um die kleine Wiese, wo eine Bühne aufgebaut ist,
wo abends Bands spielen werden
Die Organisatoren des Festivals laufen aufgeregt herum
mit ihren angehefteten Plastikscheiben,
auf denen 'Ordner' steht & 'All Areas'
Ich denk : warum bricht alles über MIR zusammen ?
und nicht : warum bricht ALLES über mir zusammen ?
denn das ist schon klar,
daß, wenn was über mir zusammenbricht, dann ALLES
Es spielt keine Rolle, daß ich heute sagen kann:
Ich hatte zuviel in uns projiziert
Ich hatte zuviel darauf gebaut
Denn auch das war an dem Tag schon klar:
daß ich das tun würde : Erklärungen suchen und finden
& eigentlich auch schon wußte, welche
Das, was ich an diesem Tag schon wußte,spielte jetzt keine Rolle mehr
( wußte ich - und darum spielte es keine Rolle )
Das einzige, das ich erst jetzt wirklich weiß,
ist ,wie es sich anfühlt , mich aus einem Abstand
von über sechs Jahren zufällig zu erinnern,
weil etwas in einem Song & etwas am Himmel
mich zurückträgt
und die Routine des Schreibens und der genüßlichen Selbstbetrachtung
ich auf dieses Thema wirft
und sagen läßt : Ich war egozentrisch & einsam
und hätte kein Verständnis gehabt für jemand, der mir sagt:
sei dankbar dafür
Ich kann mit niemand reden
Ich kann mich nicht mitteilen
Ich kann mich nicht austauschen
gegen Sätze, wie diesen
& ich richte mich ein in diesem Zustand,
bis mit meinem bescheuerten Herz wieder etwas passiert,
und es sich fallen läßt
in neue Illusionen & eine neue Wahrheit,
die alles licht und dramatisch macht
Ich erinner mich an den Tag,
an dem ich Dich fand
in Deinem Bett
& draußen der Regen
aus dem selben Abstand, ungefähr neun Jahre später
& alles, was ich hätte wissen können,
weiß ich auch jetzt nicht
Der Aschenbecher neben dem Bett
wartet wie ein Relikt aus einer anderen Zeit
Ich wach auf aus einem Traum
& schüttel mich und reiß die Augen auf
& bin noch fremd in mir
und schlaf wieder ein
( folg den Geräuschen in meinem Innern)
Dein Scheißbrief ist heute angekommen
Ich hab ihn gelesen und eingesteckt
Du schreibst genau das, was ich wollte
Es ist so einfach, Dich zu manipulieren
Du sagst, ich kann mir meine Fehler schwer zugestehn -
welche Fehler auch ...

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