Willy 2020

WILLY 2020

Willy (2020)

Mei Willy, jetzt muass i di – i glaub bestimmt zum 10. Mal – in deiner Grabesruhe stören. Ich muss dir des erzählen. Die Welt hat sich mit einem Schlag verändert. Die ganze Welt. Du kannst dir nicht vorstellen was hier grad los ist. Die Welt ist von einem Virus befallen und alles, was bisher gültig war, ist auf den Kopf gestellt.
Um uns gegenseitig zu schützen, haben wir seit Wochen Konzerte, Partys und Versammlungen abgesagt. Wir haben aus Solidarität und Verantwortungsgefühl für alle Menschen weltweit gehandelt. Wir haben es also nicht wegen Söder & Spahn gemacht! Das dürfen wir nie vergessen!
Es muss nicht immer Party sein im Leben, Willy, und grad du verstehst des sicher, hast du doch dein Leben riskiert, um Faschisten deine Meinung zu sagen. Aber als alter Anarcho muss ich dir sagen:
Meine persönliche Freiheit möchte ich mir selbst beschneiden und nicht von einem Herrn Söder oder Kurz oder Macron beschneiden lassen, den ich nie in meinem Leben gewählt hätte. Pfeifen wir auf das Patriarchat!
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sind die Grundrechte so umfassend und so radikal eingeschränkt worden. Die Politik wird jetzt von Law & Order-Männern gemacht und von mehr oder weniger regierungs- und pharmaprofit-abhängigen Beratern und Experten gestaltet: Statt Schutzmasken für uns alle und Beatmungsgeräte für die Sterbenden weltweit verordnen sie uns Parkbank- und Frischluft -Verbote. Unabhängige Mediziner langen sich an den Kopf über so viel medizinischen Blödsinn!

Was mir besonders Angst macht, mein Freund, ist, dass es zum Beispiel nie eine Diskussion gegeben hat über „Alternativen zur Aussetzung der Grundrechte“, wie der Heribert Prantl zu Recht schreibt.
Und gerade all diesen Politikmachos, die sich derzeit so als Überväter aufspielen weltweit, traue ich jederzeit zu, dass sie diesen Zustand der Angst und Einschränkung, diesen Zustand eines Staates in dem Demonstrationen verboten sind und Kultur in den tiefsten Schubladen der Bürokratie verschwindet, dass sie solche leicht beherrschbaren Zustände ohne unseren Widerspruch nur allzu gern behalten wollen.
Wir müssen aufpassen Willy, höllisch aufpassen.
Aber - mein Freund – vielleicht bin ich ja jetzt meinem Traum, meiner Utopie von einer herrschaftsfreien, liebevollen und solidarischen Welt näher als jemals zuvor?
Meinem Traum von einer Gesellschaft ohne Ausbeuter und neoliberale Profiteure, ohne Waffenhändler, autoritäre Populisten und ohne all die Faschisten, Rassisten, Sexisten, Nationalisten und Kriegstreiber.
Es reicht – endgültig!
Vielleicht erkennen erst jetzt viele Menschen diese neoliberale Diktatur, der sie jahrzehntelang aufgesessen sind?
Unsere ach so fürsorglichen Politiker haben über Jahrzehnte die Gesundheitssysteme zum Zwecke maximaler Profite kaputt privatisiert und vor allem haben sie keinen Plan zum Schutz aller Menschen für eine solche Krise vorbereitet; vielleicht einfach, weil sie daran nichts verdient hätten.
Statt nach einem starken Führer zu schreien sollten wir uns selbst an die Hand nehmen und aufpassen, dass wir nicht denen, die sich jetzt als Herren über jedes Gesetz aufspielen, in Zukunft vertrauen.
Für viele Herrschenden ist das was zurzeit passiert eben auch eine perfekte Übung für den dauerhaften Ausnahmezustand oder den Weg in eine Diktatur.
Wir haben unsere Erde aus reiner Profitgier kaputt gewirtschaftet und merken gerade, wie sie wieder etwas atmen kann, in Venedig schwimmen wieder Fische, in den Großstädten kann man wieder atmen, ohne Kreuzfahrtschiffe und Partybomber, vielleicht spüren jetzt viele von denen, die sich noch vor nicht allzu langer Zeit über Greta empört haben, wie Recht sie hatte?
Vielleicht lernen wir jetzt mal diese so überlebenswichtige Solidarität von unten?
Wir müssen wieder wagen zu träumen, radikal und mutig und du weißt es mein Freund – ich hab mich nie geschämt dafür ein Träumer, ein Spinner zu sein und als Träumer verlacht zu werden.
Und was ich mir erträume ist mehr als eine Revolution.
Es ist die totale Umwälzung der Werte unserer wertlosen Gesellschaft. Es sind Menschen, die miteinander suchen, hoffen. sündigen, verzeihen. Menschen die sich anlächeln statt sich im Wettbewerb um den besseren Job fast umzubringen.
Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der all jene am miesesten entlohnt werden, die die wirklich wichtige Arbeit verrichten:
KrankenpflegerInnen, HospizarbeiterInnen, MüllarbeiterInnen und ach so viele mehr.

Und wo die unwichtigsten Berufe am besten bezahlt werden: Ausgerechnet jene Berufe wie zum Beispiel Waffenhändler, Automanager, Aktienbesitzer oder Börsenmakler, die diese Krise erst so gefährlich werden haben lassen.
Und vielleicht verstehen jetzt viele Menschen in dieser Krise, dass die Güter und Ressourcen dieser Welt allen gehören sollen: Bildung, Gesundheit, Wohnung, sauberes Wasser, Essen.
Wie konnten wir jemals zu lassen, dass Luft, Erde, Wasser, oder der genetische Code von Pflanzen und Tieren zu Privateigentum gemacht wurden und werden?
Jetzt ist die beste Gelegenheit über Enteignung zu sprechen.
Mal ganz konkret Willy: Wir sollten endlich die Türen der jetzt ohnehin nutzlos leerstehenden Luxushotels in München und Berlin und überall öffnen für die schutzsuchenden Menschen aus den Kriegsgebieten dieser Welt, aus Syrien, aus Kurdistan, aus Afghanistan, Somalia und Irak, für die Geflüchteten aus den menschenunwürdigen Lagern an den EU-Außengrenzen wie in Moria auf Lesbos oder den Folterlagern in Libyen, die jetzt besonders schutzlos der Covid-19-Pandemie ausgeliefert sind.
Das wäre ein großes Fest des Friedens und der Liebe, wenn endlich in Hotels wie im Bayerischen Hof in München, in dem sich jedes Jahr die Kriegsstrategen der Nato und die Rüstungsmanager von Rheinmetall und Heckler & Koch treffen, die ärmsten und traumatisierten Kinder und Familien, die vor den Waffen und Kriegen dieser Männer des Todes fliehen mussten, in Frieden leben könnten.
Ja Willy, wir brauchen jetzt sehr viel Solidarität von unten und zwar weltweit und international.

Warum also nicht die Enteignung der Profiteure, die auf Kosten des Schutzes und des Lebens insbesondere der ärmeren Menschen und der Ärmsten Profite gemacht haben und sogar noch in der Krise verstärkt weiter Profite machen.
Jetzt ist es an der Zeit, den Stopp aller Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte zu fordern und es ist Zeit für einen Waffenstillstand weltweit, ein Waffenstillstand, der vielleicht den Menschen zeigen würde, dass Frieden sehr viel erstrebenswerter ist.
Jetzt ist es an der Zeit auf die wunderbare Hannah Arendt zu hören: Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.
Gehorsam kann nie eine Rechtfertigung sein für das eigene Handeln. Oder Nichthandeln.
Wir sollten weltweit Schulen des Ungehorsams gründen!
Willy, jetzt ist es an der Zeit über die Utopie zu sprechen
einer herrschaftsfreien Welt
wo der Menschen Miteinander unser Sein zusammenhält.
Jetzt könnten wir erkennen, dass wir alle Wesen einer Gemeinschaft sind und nicht gemeine Wesen, zu denen uns der Neoliberalismus immer erziehen wollte.
Und wir müssen jetzt und sofort unsere Stimme erheben für die Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen, für die Geflüchteten, Gefangenen, Obdachlosen.
Und lasst uns nie vergessen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Wia hast as gsagt damals Willy, vor über einem halben Jahrhundert:
Freiheit, des hoasst koa Angst habn vor nix und neamands.

Gestern hams an Willy derschlagn
Und heit halt ma zamm!

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