Am Abgrund
Steh still, auch wenn du springen willst
Auch wenn dich fremde Stimmen locken
Und ihr Flüstern dich wie Totenglocken
In die Tiefe ruft. Du weißt, du stillst
Den Durst nicht, selbst wenn alle Quellen
Mit nur einem Schritt versiegen
Durchschreite die zerschundenen Pylonen
Bis in den Kolonnadenhof der Bleichen
Wo kristallin verhallte Schatten
Im verlassenen Kreuzgang schleichen
Tote Wächter warten in den Ecken
Stumm wie Aletheias Zeugen
Alle Uhren sind aus Stein
Die sich im Dämmerlicht verbeugen
Schau in den Abgrund
Wo die Schatten leben
Du spürst: Auf jedem Grund liegt
Was die Menschen dort vergraben
Diese Tiefen sind die Wunden und die Narben
Aus den Schlachten
Wo sich Helden selbst besiegen
Wo in Fluten unter Wellen
Alles stirbt. Dort wo die Träume liegen
Und dann, im lichtverlassenen Sanktuar
Versteckt in rostbefallenen Schreinen
Fault das Fleisch gefallener Götter
Wie das Laub in Mandelhainen
Und aus den Schreinen gähnt das Nichts
Ganz ohne Ende scheint der Schlund
Ein Kosmos fast nur aus Ruinen
Ein Trümmerfeld am Weltengrund
Schau aus dem Abgrund
Wo die Schatten leben
Im Jenseits über grauen Tälern
Über fremden Felsenkuppeln
Wo die Nebelhörner schweigen
Und sich Wolkenmeere teilen
Nisten Adler und die Eulen
Singen schüchtern in den Wäldern
Sei dem Himmel ein Stück näher